Das Gericht
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Wegen der Länge des Prozesses besteht das Richterkollegium der Kriminalkammer ausnahmsweise aus vier Personen. Es amtieren die Präsidentin Sylvie Conter und die Richter Paul Vouel und Jean-Luc Pütz sowie Richterin Claudine de la Hamette, die bei Bedarf auch den Vorsitz des Prozesses übernehmen könnte. Das Wort führt zweifellos aber Sylvie Conter, die sich durch ihr Dossierwissen, ihr Fingerspitzengefühl und ihre Unnachgiebigkeit auszeichnet. Sie hält die Parteien an der langen Leine und lässt auch Gefühlsregungen im Sitzungssaal TL 1.10 zu. Sie ist einfühlsam, aber auch streng mit Zeugen, von denen sie sich verschaukelt fühlt. Und sie lässt keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen, der Bommeleeër-Affäre auf den Grund zu gehen. Vor allem die Gendarmerie-Offiziere müssen sich derzeit vor ihr in Acht nehmen. Auch Ex-Polizeidirektor Pierre Reuland hat inzwischen in ihr seinen Meister gefunden.
Die Staatsanwaltschaft
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Die Anklage wird in diesem Prozess vom beigeordneten Staatsanwalt Georges Oswald und Substitut Robert Welter vertreten. Hatte sich das Duo in den ersten Monaten vornehm zurückgehalten und den Ermittlern den Vortritt gelassen, so geht vor allem Oswald inzwischen mit manchen Zeugen hart ins Gericht. Er stellt die richtigen Fragen, lässt nicht locker und hakt - wenn nötig - mehrere Tage hintereinander im gleichen Punkt nach. So brachte er es z.B. fertig, dass sowohl Guy Stebens als auch Charles Bourg einen Teil ihres Schweigens brachen und mit (einem Teil) der Wahrheit rausrückten: dass Steil schon damals als möglicher Bommeleeër gehandelt wurde. Oswald ist direkt und aggressiv in der Fragenstellung, erfrischend sarkastisch und hat stets einen Trumpf im Ärmel. Oft konfrontiert er Zeugen mit Fragen, um eine gewisse Antwort zu erzwingen - die er dann mit einer früheren Aussage und einem Dokument widerlegt. Ein gefährlicher Gegner für mögliche Täter und Mitwisser!
Der Greffier
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Rechts von den Richtern sitzen die Gerichtsschreiber, die sich in ihrer manchmal undankbaren Aufgabe abwechseln. Sie notieren alles und verfassen die Plumitifs, die eine Art Zusammenfassung der Aussagen sind. In diesem Prozess traten sie bislang vor allem nach Pierre Reulands Auftritt in Erscheinung, als sie das Plumitif seiner drei Sitzungen im Juli nochmals vorlesen mussten. Es ist kein einfacher Job: Sie müssen aus den vielen Fragen, Antworten und Zwischenrufen eine zusammenhängende Kurzfassung herstellen, die im wahrsten Sinne des Wortes auch vor Gericht Bestand haben muss.
Die Verteidigung
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Me Gaston Vogel und Me Lydie Lorang setzen sich unnachgiebig für ihre beiden Mandanten, die Angeklagten Marc Scheer und Jos Wilmes ein. Sie hatten zu Beginn des Prozesses sofort die Einstellung des Verfahrens gefordert, da sie das Recht auf Verteidigung ihrer Mandanten verletzt sahen. Sie legen die Finger in offene Wunden und prangern die schlampig geführten Ermittlungen während der Attentate an. Sie zeigen auch immer wieder neue Pisten auf, die vernachlässigt wurden, wie die "piste militariste" mit Stay Behind. Dass sich das Verteidigerduo zuletzt während der Zeugenauftritte mit Fragen zurückhält, hat System: Me Vogel und Me Lorang überlassen der inzwischen gut eingespielten Staatsanwaltschaft und Kriminalkammer das Feld, um die Offiziere in die Mangel zu nehmen. Sie scheuen aber nicht davor zurück, selbst einzugreifen, wenn sich die Zeugen in Widersprüche verheddern.
Marc Scheer
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Ex-BMG-Mitglied Marc Scheer wird vorgeworfen, Teil der Bommeleeër-Bande gewesen zu sein. Dem jovialen Polizisten wurden verschiedene Äußerungen während seiner Vernehmungen zum Verhängnis, nachdem sich die Ermittler mehr und mehr auf die BMG als mögliche Tätergruppe fokussiert hatten. Laut Staatsanwaltschaft hat sich Scheer vor allem im Zusammenhang mit dem Kasematten-Attentat versprochen und verdächtig auf die Konfrontation mit einer Zeugenaussage reagiert. Konkrete Beweise (Fingerabdrücke, Fußspuren oder DNA-Proben) liegen nicht gegen Scheer vor. Ihm wurden eigentlich nur seine Aussagen zum Verhängnis. Problematisch könnte dann noch die Aussage eines Mannes werden, der im Zusammenhang mit dem Justizpalast-Attentat Personen gesehen hatte, die möglicherweise Schmiere standen. Vor Gericht ließ er die Bombe platzen: Er erkannte Marc Scheer auf einem Foto als einen dieser Männer wieder. Nur: Wenige Minuten zuvor war er noch über Scheers Foto weggegangen und hatte ihn ausgeschlossen.
Jos Wilmes
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Jos Wilmes ist auch Ex-BMG-Mitglied und, wie bei Scheer, liegen auch gegen ihn keine konkreten Beweise vor. Der ansonsten eher ruhige Polizist sei während seiner Vernehmungen durch nervös-verdächtiges Benehmen aufgefallen. Als begeisterter Tüftler und Bastler habe er auch das Wissen besessen, die Auslösemechanismen verschiedener Sprengsätze und Sprengfallen herzustellen, so die Staatsanwaltschaft. Wilmes sitzt teils wegen Scheers unbedarfter Aussagen auf der Anklagebank. Doch nicht nur: Verdächtig war auch sein Fehlen in der Personenschutzeinheit für die großherzogliche Familie an Nationalfeiertag. Scheer und Wilmes sind inzwischen aber zu Statisten in ihrem eigenen Prozess geworden, konzentrieren sich die Bemühungen von Gericht und Staatsanwaltschaft derzeit vor allem auf die ehemalige Führungsriege der Gendarmerie.
Guy Stebens
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Einer der vier Schlüsselzeugen ist der damalige Leutnant Guy Stebens, der kurz nach dem Eintritt in die "Force publique" bereits den Spezialeinheiten der Gendarmerie übergeordnet wurde. Technisch gesehen, war Stebens damit Pierre Reulands Stellvertreter in der BMG und auch Chef der Ermittlergruppe GOR (Groupement d'observations et de recherches). Als junger Offizier hatte Stebens damals keinen großen Einfluss auf die Ermittlungen, "durfte" eigenen Aussagen nach aber die Beschattung Geibens in Luxemburg vorbereiten. Bei der Beschattung selbst will er aber nicht mehr mitgemischt haben, weil er zwei Tage später (montags) zu einer Fortbildung nach Deutschland musste. Eigenen Aussagen nach hat er auch nie mehr nachgefragt, wie die Observation von Geiben ausgegangen ist. Auch nicht nachdem er vom Attentat auf den Justizpalast am Tag der (gescheiterten) Beschattung erfuhr. Zumindest die Staatsanwaltschaft hat Zweifel an dieser Version.
Armand Schockweiler
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Jung, unerfahren und überfordert: Mit diesen drei Adjektiven kann man den ehemaligen "Officier délégué à la Sûreté publique" beschreiben, den eigentlichen Chef über Ermittler und Ermittlungen der Bommeleeër-Affäre. Zumindest auf dem Papier. Denn glaubt man Schockweiler, so hatte dieser nicht "die große Rolle gespielt", in der man den Mann heute vor Gericht gerne sehen würde. Vier Tage lang war Schockweiler damit beschäftigt, Staatsanwaltschaft und Gericht von seiner Inkompetenz in diesem Dossier zu überzeugen. Nach Colonel Wagner und später Colonel Harpes war er eigentlich der Verantwortliche der damaligen Kriminalpolizei. "Die Sache war zu groß", "Ich war überladen mit anderen Aufgaben, doch habe ich mein Bestes gegeben" und das Offiziersmantra "Ich kann mich nicht erinnern": Mit diesen drei Sätzen lassen sich Schockweilers Aussagen gut zusammenfassen. Er war sich aber nicht zu schade, die Verantwortung für viele Pannen auf die Ermittler und die Untersuchungsrichter abzuschieben. Und: Er hat zwar das Rechtshilfeersuchen betreffend Geiben in Brüssel geleitet, jedoch nie etwas von der Beschattung in Luxemburg erfahren ...
Charles Bourg
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Skurril war sie, die Vernehmung der ehemaligen Nummer zwei der Gendarmerie und späteren (ersten) Nummer eins der neuen "Police Grand-Ducale". Wenn er nicht mit den Schultern zuckte, den Kopf senkte und "Das sind jetzt 28 Jahre her, ich kann mich nicht erinnern" murmelte, dann hatte Charles Bourg recht interessante Dinge mitzuteilen. Nicht nur, dass er in der Nacht des Justizpalast-Attentates am 19. Oktober 1985 per Telefon von der Geiben-Beschattung erfuhr und sich umdrehte, um weiterzuschlafen: 2003 soll ihm sein guter Freund und ehemaliger Untergebene Jos Steil anvertraut haben, dass er wisse, wer hinter den Bommeleeër steckt. Nachgefragt habe er aber nicht. Wieso auch, er war ja schließlich nicht mehr bei der Polizei. Auf das aggressive Nachhaken der Staatsanwaltschaft hin meinte Bourg dann ein paar Tage später, dass er wohl doch nachgefragt habe, doch Steil keine Antwort gegeben hätte. "Das glauben Sie doch selbst nicht", meinte Georges Oswald und die Richterin sprach später von einer "zusammengemauerten Geschichte", in welcher der Mörtel noch nicht trocken sei. Als Bourg dann noch zugab, dass er vom Verdacht gegen seine rechte Hand (eben jener Jos Steil) wusste, dies ihn aber nicht weiter gestört habe, sprich nie nachgeforscht habe, war es um die Glaubwürdigkeit des Zeugen ganz geschehen.
Pierre Reuland
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Von den vier Schlüsselfiguren machte er den selbstsichersten und vom Auftritt her auch glaubwürdigsten Eindruck, wäre da nicht die Sache mit den fünf Zeugen Kaudé, Thill, Zenners, Even und Peschong. Die drei Srel-Agenten und zwei GOR-Beamte waren am ominösen 19. Oktober 1986 auf Geiben angesetzt worden. Und später waren alle recht formell in ihrer Aussage, dass Pierre Reuland zu irgendeinem Zeitpunkt mit der Beschattung zu tun hatte. Sei es beim Briefing vor der Observierung, über Telefon nach dem Abbruch oder später vor der Wiederaufnahme der Beschattung in der Gendarmerie-Kaserne: Vier der fünf Zeugen hatten bei der Beschattung auch mindestens einmal direkt mit dem späteren Polizei-Generaldirektor zu tun. Dieser aber bleibt beharrlich: "Ich war nicht dabei. Ich wusste nichts davon. Die anderen fünf Zeugen irren." Seine Theorie: Er sei absichtlich aus der Obs rausgehalten worden, wegen seiner guten Kontakte zu Geiben. Sein Beweis: Sein Name komme im Kaudé-Bericht nicht vor. Und dann wäre noch die Sache mit der CRI: Davon wusste er auch nichts. Doch Stebens war vor Gericht formell: "Ich hatte Pierre Reuland von der CRI erzählt". Einer von beiden lügt.
Text : Eric Hamus ; HTML : Dominique Nauroy ; Foto : Marc Wilwert, Michèle Winandy